Die Technologie- und Startup Szene als Möglichkeit für Geflüchtete und eingewanderte Menschen


Eine Arbeitsmarktinklusion von Geflüchteten erscheint als sinnvoller Schritt Richtung Teilhabe und Integration. Das liegt einerseits am sprachlichen und kulturellen Austausch mit Arbeitskolleg:innen, und andererseits an der Möglichkeit, durch Arbeitsentgelte die eigene finanzielle Situation und Bleibeperspektive zu gestalten und abzusichern. Die Theorie ist aussichtsreich – Geflüchtete weisen schließlich allerlei berufliche Qualifikationen auf. Für den qualifizierten beruflichen Einstieg braucht es in Deutschland allerdings häufig auch formale Qualifikationen.

Dass Geflüchtete vielseitig gebildet sein können, liegt nahe. Fraglich ist erstens, was diese berufliche Qualifikation für den Arbeitsmarkt in Deutschland bedeutet. Und zweitens: Was geschieht, wenn geflüchtete Menschen diese formale Qualifikation nachvollziehbarer Weise nicht mehr nachweisen können (Unterlagen werden vernichtet, gehen auf der Flucht verloren, etc.)? Während das BAMF ein Antragsverfahren zur Anerkennung eines beruflichen Abschlusses eingeführt hat,[1] und sich damit die erste Frage beantworten lässt, bleibt die zweite Frage offen, wie ohne formelle Qualifikation eine Anerkennung erfolgen, und damit ein qualifizierter Berufseinstieg vonstatten gehen soll.

Man könnte Geflüchtete in die Ausbildungsprogramme eingliedern. Damit wird eine formelle Qualifikation jedenfalls nachgeholt. Das kann allerdings einerseits eine Rückstufung der qualifizierten Person darstellen, und andererseits kostet der Ausbildungsweg Zeit. Die übliche Ausbildungsdauer beträgt schließlich drei Jahre. Hier besteht das Bedürfnis alternativer Qualifikationswege. Betrachtet man den IT-Sektor, so lässt sich häufig eine zentrale Hürde für eine Qualifikation nehmen: eine starre Fixierung auf formelle Qualifikationen, die an ein gewisses Sprachniveau geknüpft sind. So würden digitale Coding-Schulen einen Weg bereiten, um in relativ kurzer Zeit, gefragte Kompetenzen für den IT-Sektor zu vermitteln. Hier gibt es bereits umgesetzte Konzepte.[2] Es findet teilweise eine Verknüpfung mit einem Sprachkurs statt, der sich nur auf die Qualifikation im IT-Bereich fokussiert und als Arbeitsvermittlungsmaßnahme gefördert werden kann.[3] Damit kann eine rasche Weiterbildung erzielt werden. Außerdem bietet diese digitale Form der Lehre einen flexiblen Umgang mit dem Lernmaterial und zusätzliche Vernetzungsmöglichkeiten. Diese gefragten Kompetenzen wären außerdem auch für Arbeitsstellen im IT-Sektor geeignet. Insbesondere junge und technikaffine Menschen könnten so eine schnelle Anbindung in einem international relevanten Arbeitsbereich erreichen.

In Österreich konnten so zwischen 2017 und 2018 90% der Teilnehmer:innen eines vergleichbaren Angebots erfolgreich in den Arbeitsmarkt einsteigen.[4]

Und selbst wenn das nicht immer der Fall ist – schließlich haben Menschen ganz vielseitige und individuelle Fähigkeiten und Interessen – so gibt es dennoch einige mittelbare Vorteile. Die Coding-Schulen können jungen Menschen, die innerhalb der gesamten Fluchtdynamik heranreifen und leben, ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit vermitteln. Es ist von gewissem Wert, ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden, was sie lernen wollen, was zu einem Gefühl der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit führt. Nicht jede:r wird die vermittelten Fähigkeiten schließlich nutzen, um Programmierer:in zu werden, aber einige werden motiviert und inspiriert sein, ihr eigenes Unternehmen zu gründen oder Probleme in ihrer Gemeinschaft zu lösen. Gerade eine Gründung wäre mit den erlernten Kompetenzen nicht abwegig. Im Jahre 2020 waren immerhin 31,8 % aller Startups in Deutschland in der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche tätig.[5]

Ein besonderes Beispiel, wie eine Coding-Schule in der Vergangenheit ausgesehen hat, und welche Hindernisse und vor allem Erfolge bemerkenswert waren, konnte man zuletzt auch im Gihembe Refugee Camp in Ruanda sehen.[6]


[1] Mehr Informationen dazu: https://www.bamf.de/DE/Themen/Integration/ZugewanderteTeilnehmende/AnerkennungBerufsabschluesse/anerkennungberufsabschluesse-node.html, www.anerkennung-in-deutschland.de, “Hotline Arbeiten und Leben in Deutschland” unter der Nummer +49 30-1815-1111.

[2] Beispiele für bereits umgesetzte Konzepte: https://wecodeit.academy/, https://www.newaustriancodingschool.at.

[3] Beispiel für verknüpften Sprachkurs: https://drheuer.de/m.php?sid=98,

[4] S., S. (2018, August 30). refugees{code} – Programmierschule für Flüchtlinge und Arbeitslose | Bundesland.bz. www.bundesland.bz. http://www.bundesland.bz/news/refugeescode-programmierschule-fuer-fluechtlinge-und-arbeitslose .

[5] Kollmann, T., Jung, P. B., Kleine-Stegemann, L., Ataee, J., & de Cruppe, K. (2020). Deutscher Startup Monitor 2020: Innovation statt Krise. In Startup Monitor auf Seite 23. https://doi.org/10.17185/duepublico/72962 .

[6] UNHCR Innovation Service. (2020, June 29). The refugee coding school trend: lessons and reflections. Medium. https://medium.com/unhcr-innovation-service/the-refugee-coding-school-trend-lessons-and-reflections-5b6ee8168bc .